Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Milliardenschweres HilfspaketAmerika macht wieder Weltpolitik

Lange zögerte er – jetzt liess Mike Johnson, republikanischer Vorsitzender des Repräsentantenhauses, über die milliardenschweren Hilfspakete abstimmen.

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Nun wurde im amerikanischen Kapitol doch mal wieder Weltpolitik gemacht, an einem sonnigen Samstag in Washington, D.C. Monatelang war in dem Kuppelbau vor allem gestritten und Amerikas Beistand für die Ukraine im russischen Angriffskrieg verschleppt worden – Republikaner hatten weitere Zuwendungen bis zuletzt blockiert, obwohl die Lage der ukrainischen Truppen an der Front mangels Waffen und Munition immer katastrophaler wird. Nun fand plötzlich eine überparteiliche Mehrheit zusammen.

Am frühen Nachmittag Ostküstenzeit entschieden sich die Abgeordneten im Repräsentantenhaus, insgesamt ungefähr 95 Milliarden Dollar in die Ukraine sowie nach Israel und Taiwan zu schicken. Der grösste Teil des Pakets, 60,8 Milliarden Dollar, ist als Militärhilfe für Kiew gedacht, was den Verlauf der Schlacht zumindest vorübergehend beeinflussen könnte. «Vielen Dank, Amerika!», postete Minuten nach dem Beschluss auf der Plattform X Wolodimir Selenski. Der ukrainische Präsident hatte lange auf dieses Signal gewartet.

US-Präsident Joe Biden spricht von «klarer Botschaft»

Er sei «dem Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten, beiden Parteien und persönlich Sprecher Mike Johnson dankbar für die Entscheidung, die die Geschichte auf dem richtigen Weg hält», schrieb Selenski. «Demokratie und Freiheit werden immer eine globale Bedeutung haben und niemals scheitern, solange Amerika hilft, sie zu schützen.» Das lebenswichtige US-Hilfsgesetz werde «eine Ausweitung des Krieges verhindern, Tausende und Abertausende von Menschenleben retten und dazu beitragen, dass unsere beiden Nationen stärker werden.»

In der kommenden Woche will der Senat über den Gesetzentwurf befinden, was Routine sein dürfte, die Demokraten sind dort in der Überzahl. Danach will US-Präsident Joe Biden das Papier unterschreiben. Auch Biden, der das Wochenende daheim in Delaware verbringt, wurde pathetisch. Mitglieder beider Parteien hätten «eine klare Botschaft über die Macht der amerikanischen Führung auf der Weltbühne» gesendet, gratulierte er. «An diesem kritischen Wendepunkt kamen sie zusammen, um dem Ruf der Geschichte zu folgen und verabschiedeten dringend benötigte Gesetze zur nationalen Sicherheit, für die ich monatelang gekämpft habe.»

Das lange Zaudern des Sprechers Mike Johnson

Mit 311:112 Stimmen wurde der umkämpfte Ukraine-Vorschlag gebilligt, bei einigen Anhängern brach anschliessend Jubel aus. Sie hatten ukrainische Flaggen dabei und riefen «Ukraine, Ukraine». Auf einmal fanden also genügend Mandatsträger beider Parteien zusammen, und man darf sich fragen, wieso das angesichts der dramatischen Zustände in Osteuropa nicht etwas früher gelang. Die Antwort hat mit der Person des Speakers zu tun – also dem Mann, der in dieser Kammer das Kommando führt.

Der Republikaner Mike Johnson hatte sich lange geweigert, den Entwurf zur Abstimmung zu bringen. Er weiss, dass der Vorstoss seine Amtszeit schnell beenden könnte, weil Hardliner seiner Fraktion die Unterstützung der Ukraine ablehnen. Sie tun das bevorzugt mit dem Argument, dass sich die USA doch eher um ihre eigene Südgrenze kümmern und Migranten ohne Papiere stoppen sollten, statt weit entfernte Länder zu finanzieren. Manchmal sind sie auch einfach nur destruktiv.

Die Scharfmacherin Marjorie Taylor-Greene verlangte gar, die Beiträge für die überfallene Ukraine auf Null zu senken. Für sie ist die Auslandshilfe ein «krankes Geschäftsmodell», es lenke von innenpolitischen Themen wie eben dem Schutz dieser Südgrenze ab. Taylor-Greene hat auch vor, den Sprecher Johnson gemeinsam mit anderen Aufständischen in den nächsten Tagen zu stürzen. Einer solchen Rebellion fiel erst im Oktober sein Vorgänger Kevin McCarthy zum Opfer, nachdem er zusammen mit Demokraten den Haushalt durch den Kongress gebracht hatte.

Theorien zu Johnsons Sinneswandel

Aber Mr. Johnson war diesmal furchtlos, trotz – oder wegen? – einer Audienz vor kurzem beim Ukraine-kritischen und eher Russland-freundlichen Patron Donald Trump in dessen Strandpalast Mar-a-Lago. Trump galt als der entscheidende Bremser eines früheren Versuchs aus dem Senat, die Ukraine entschlossen zu unterstützen. Eine Theorie, wie es zu Johnsons Sinneswandel gekommen sein mag, ist, dass Angehörige von ukrainischen Opfern dem streng gläubigen Evangelikalen sehr anschaulich das Grauen geschildert hätten.

In jedem Fall nahm der Druck in den vergangenen Tagen und Wochen zu, während die Nachrichten aus der Ukraine immer schlechter wurden. «Unsere Gegner arbeiten zusammen, um unsere westlichen Werte zu untergraben und unsere Demokratie zu erniedrigen», sagte der Republikaner Michael McCaul, der Texaner leitet den Auswärtigen Ausschuss. «Wir dürfen in diesem Moment keine Angst haben. Wir müssen tun, was richtig ist. Das Böse ist auf dem Vormarsch. Die Geschichte ruft, und jetzt ist es an der Zeit, zu handeln.»

Teil des Hilfspakets für humanitäre Zwecke in Gaza

Die Geschichte, immer wieder die Geschichte. Es ist die Zeit für die grossen historischen Vergleiche, einer davon stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. «Die Geschichte wird uns nach unserem heutigen Handeln beurteilen», meint McCaul, der in dieser Sache zum Heer von Johnsons Helfern zählt. «Während wir über diese Abstimmung nachdenken, müssen Sie sich die Frage stellen: ’Bin ich Chamberlain oder Churchill?»

Zum zunehmend verzweifelten Abwehrkampf der Ukrainer kommen ja auch noch der Horror und die Sorgen vor einer Eskalation in Nahost. Circa 26 Milliarden Dollar des vereinbarten Geldes bekommt Israel, ein Teil der Summe ist für humanitäre Zwecke in Gaza gedacht. Biden fordert den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu seit einiger Zeit zu Mässigung und Rücksicht auf Zivilisten auf, wird aber besonders von linken und arabisch-stämmigen Amerikanern wegen der amerikanischen Nähe zu Israel kritisiert. Die israelische Reaktion auf die Angriffe aus Iran war bisher verhältnismässig moderat, was ganz in Bidens Sinne sein dürfte.

Weitere Resolution zum Tiktok-Verbot

Acht Milliarden Dollar gehen zudem in den Indiopazifik, also nach Taiwan, das Aggressionen aus China befürchtet. In dem Punkt sind sich Republikaner und Demokraten weitgehend einig. Eine vereinte Resolution will ausserdem dafür sorgen, dass die chinesischen Besitzer die beliebte Plattform Tiktok verkauft. Andernfalls wollen Amerikas Gesetzgeber das Unternehmen in den USA verbieten – wohl wissend, dass das vorneweg bei der jüngeren Wählerschaft gar nicht gut ankommt. Amerikanische Politiker gehen Einfluss und Technik zu weit, auch wenn Biden Tiktok für seinen Wahlkampf entdeckt hat.

Mike Johnson liess getrennt über die Zahlungen abstimmen, um sich jeweils bequemer Gefolgschaft zu sichern. Bei der Ukraine sind tendenziell eher Demokraten auf seiner Seite, bei Israel Republikaner. Auch soll die Ukraine theoretisch zehn Milliarden Dollar irgendwann zurückzahlen und beschlagnahmte Vermögenswerte russischer Oligarchen verwendet werden. Vorher hatte Johnson im Rahmen seines Manövers vorgeschlagen, auch ein verschärftes Grenzgesetz abzusegnen, um den rechten Flügel seiner Riege zu beruhigen. Das misslang, er verfehlte die dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit.

So geht Mike Johnson in die Geschichte ein

Der plötzlich mutige Speaker wird sehen, wie seine für die Ukraine gelungene Offensive für ihn selbst ausgeht. Der Republikaner Thomas Massie fordert seinen Rücktritt, Taylor-Greene nennt ihn «lame duck» und klagt über einen «Ausverkauf Amerikas». Möglich, dass im Falle eines republikanischen Misstrauensvotums die Demokraten den Republikaner retten müssen. Johnson scheint nicht um seinen Job zu fürchten. Die Hilfe für die Ukraine sei jetzt entscheidend, sagte er kürzlich. «Ich glaube, dass Xi und Wladimir Putin und Iran wirklich eine Achse des Bösen sind.»

Er werde «lieber Kugeln in die Ukraine schicken als amerikanische Jungs», berichtete er. «Drei unserer Hauptgegner, Russland, Iran und China, arbeiten zusammen und sind weltweit aggressiv. Sie sind eine globale Bedrohung für unseren Wohlstand und unsere Sicherheit. Ihr Vormarsch bedroht die freie Welt, und das erfordert eine amerikanische Führungsrolle. Wenn wir ihnen jetzt den Rücken kehren, könnte das verheerende Folgen haben.» So geht der lange zaudernde Speaker Mike Johnson, der vielleicht bald sein Amt verliert, in die Geschichte ein.

Newsletter

Alles klar, Amerika?

Erhalten Sie die besten und wichtigsten Geschichten aus den Vereinigten Staaten, ausgewählt von unseren USA-Experten.