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Nur Rang 41 im Happiness-ReportUnglückliches Italien – kann das wirklich sein?

Unglücklich sein in diesem Land? Manche Stimmen in Italien zweifeln am Happiness-Report.

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«Belpaese», schönes Land. Die Bezeichnung, im Mittelalter ersonnen von Italiens literarischen Monumentalfiguren Dante Alighieri und Francesco Petrarca, brauchen Italienerinnen und Italiener nicht selten, wenn sie vom eigenen Land sprechen. Manchmal ist das ironisch gemeint, aber durchaus nicht immer. Der jüngst veröffentlichte World Happiness Report der UNO passt jedoch nicht zu diesem Selbstbild: Von weltweit 143 ausgewerteten Ländern nimmt Italien den 41. Rang ein. Im Vergleich zum Vorjahr hat es acht Ränge eingebüsst.

Selbst Mexiko ist glücklicher

Die Zeitung «La Repubblica» schüttet zusätzliches World-Happiness-Umfragesalz in die heimische Wunde, schreibt sie doch: «Das Belpaese glänzt auch mit unerwünschten Titeln wie: Letzter Rang unter den grossen EU-Ländern und zweitletzter unter den G-7-Ländern.» Tatsächlich sind Deutschland (Rang 24), Frankreich (Rang 27) und Spanien (36) besser platziert, während von den G-7-Industrienationen lediglich Japan (Rang 51) schlechter abschneidet. Die Schweizerinnen und Schweizer wiederum sind mit ihrem neunten Rang offensichtlich viel glücklicher als ihre südlichen Nachbarn, und selbst das seit Jahren vom Drogenkrieg gebeutelte Mexiko (Rang 25) steht besser da.

Gute Küche, schöne Strände, viel Sonne und trotzdem unglücklich? «Mit diesem Index stimmt etwas nicht», meint ein Soziologe.

Was ebenfalls bitter ist für Italien: Seit der UNO-Bericht 2012 erstmals erschienen ist, liegt es bezüglich «Glückssaldo» – gemeint ist die Zu- oder Abnahme des Glücksgefühls in diesem Zeitraum – lediglich auf Rang 99 von 143 Ländern. Wachsendes Unglück also. «Italia infelice», unglückliches Italien, heisst es nun in Zeitungen und auf Internetportalen.

«Mit dem Index stimmt etwas nicht»

Und was ist mit jenem traditionsreichen Konglomerat aus Tatsachen und Klischees, das nicht nur den Blick von aussen, sondern durchaus auch das italienische Selbstbild prägt? Unvergleichlicher kultureller und architektonischer Reichtum, überwältigend schöne Städte und Landschaften, insgesamt 8000 Kilometer an Stränden, eine der weltweit besten Küchen. Und natürlich das sprichwörtliche Talent zu Improvisation und mediterranem Lebenskünstlertum. Rang 41, und dies bei sinkender Tendenz? «Schön, aber unglücklich», wie die konservative Zeitung «L’identità» schreibt? Kann das sein?

«Mit diesem Index stimmt etwas nicht», meint der Soziologe Domenico de Masi auf dem italienischsprachigen Portal der US-Zeitschrift «Fortune» – und dies notabene im Zusammenhang mit dem vorangehenden Happiness-Report, in dem Italien noch den 33. Rang belegte. Ist man glücklich, fragt de Masi in Anspielung auf die notorischen Spitzenplätze der skandinavischen Staaten, wenn man die Hälfte des Jahres im Dunkeln sitzt? Oder wenn ständig Attentate drohen wie im ebenfalls hervorragend platzierten Israel? Oder – das könnte eine Anspielung auf die Schweiz sein – wenn man zur Hyperproduktivität gezwungen wird in einer Welt, die endlich ausruhen will? Nein, lautet natürlich seine Antwort.

Ein Kommentator fragt maliziös, ob die Bewohner der glücklichen Länder in den Ferien wohl deshalb ans Mittelmeer fahren, um sich von ihrem Glücklichsein zu erholen. Andere erklären das schlechte Abschneiden Italiens damit, dass der Happiness-Report materielle Kriterien wie das Pro-Kopf-Einkommen übergewichte. Italienerinnen und Italiener hingegen seien, wie es in einem Leitartikel bei «L’identità» heisst, vielleicht einfach «auf die alte Art glücklich». Ebenfalls etwas nach dem Motto «Es kann nicht sein, was nicht sein darf» klingt der Hinweis von «Repubblica», an der Spitze der Rangliste lägen halt ausschliesslich kleine Länder. Was aber immerhin nicht falsch ist.

Unbequeme Wahrheiten und Pizza-Chauvinismus

Daneben gibt es auch Stimmen, die unbequeme Wahrheiten aussprechen: Seit langem eine der schwächsten Wachstumsraten in der EU, hohe Jugendarbeitslosigkeit, ein Anstieg der Armutsquote von 3 auf 10 Prozent binnen der letzten 15 Jahre, geringes Vertrauen in Parteien und staatliche Institutionen – offensichtlich sind beim Glücksempfinden Italiens unbestreitbare immaterielle Annehmlichkeiten nicht in der Lage, solch düstere Fakten und Entwicklungen aufzuwiegen.

Vor mehr als zwanzig Jahren schrieb der Südtiroler Journalist Ulrich Ladurner in der «Zeit», eigentlich sei in Italien mit «Belpaese» nicht bloss gemeint, Italien sei ein schönes Land, sondern es sei «das schönste Land». Diese Einstellung nennt Ladurner «das Grundaxiom des Pizza-Chauvinismus». Stellt man auf den World-Happiness-Index ab, ist dieses Axiom mittlerweile zerbrochen.