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Leitartikel zu den AusschreitungenEs ist ernüchternd: Fussball ohne Gewalt wird es nie geben

Heisses Thema: Dass sich Fussballfans im Stadion daneben benehmen, bewegt den Schweizer Sport seit Jahrzehnten.

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Im Kabinengang der Schützenwiese steht auf einem Plakat: «Gekommen, um zu bleiben.» Und der FC Winterthur ist nach seinem Aufstieg in die Super League geblieben, zwei Jahre schon. Ein drittes wird nach einer über Erwarten erfolgreichen Saison mindestens folgen.

Aber der FCW ist auch in der Realität des Fussballs angekommen. Seit vergangenem Sonntag und dem Cup-Halbfinal gegen Servette ist seine Welt erschüttert – eine Welt, die für viele als heil gegolten hat, als kleiner Sehnsuchtsort für Fussballromantiker. Dass die «Schützi» aus der Zeit gefallen ist, gibt ihr eine Seele.

Nichts ist also mehr, wie es gewesen ist. Nichts mehr von «Friede. Freiheit. Fussball», um das Motto des Clubs zu zitieren. Das liegt nicht nur an den beiden komplett verblödeten Genfer Chaoten, die nach dem Schlusspfiff kriminell handelten und zwei 2000 Grad heisse Fackeln auf die Zuschauer der Gegentribüne warfen. Das liegt ebenso an den vielleicht zwei Dutzend FCW-Sympathisanten, die das Gefühl hatten, auf den Platzsturm der zwei Dutzend Genfer mit einem eigenen Platzsturm reagieren zu müssen.

In diesem Moment waren auch sie nicht besser als alle anderen, die den Fussball für Randale missbrauchen und mit ihrem Verhalten die eigenen Anliegen gleich selbst torpedieren.

Keine heile Welt: Auch die Winterthurer Sympathisanten fühlten sich gegen Servette zu einem Platzsturm genötigt.

Dass Prügeleien auf dem Rasen ausblieben, lag in erster Linie an den Spielern beider Mannschaften, die mit ihrem Eingreifen die Lage deeskalierten. Und doch hat dieser Vorfall vor allem eines gezeigt: wie sehr die Zeit im Schweizer Fussball auf ernüchternde Art stehen geblieben ist.

«Es ist gefährlich, so zu tun, als gäbe es eine wohlriechende, brave Gesellschaft, die schaut, dass es der Menschheit besser geht. Es leben nicht alle in einer Klangmuschel und beten für den Weltfrieden.» Alex Miescher sagte das, als er noch Generalsekretär des Schweizerischen Fussballverbandes war. Es war nach wüsten Ausschreitungen bei einem Zürcher Derby, das abgebrochen werden musste.

Skandal im Letzigrund: Nach Fackelwürfen wurde das Zürcher Stadtderby vom 2. Oktober 2011 in der 77. Minute abgebrochen.

Alles, was er damals sagte, im fernen Oktober 2011, lässt sich eins zu eins ins Heute übertragen. Sein Thema war auch die Kollektivstrafe. Er plädierte für den Dialog mit den vernünftigen Köpfen in einer Kurve, weil er überzeugt war, dass es nichts bringt, «alle aus dem Stadion zu werfen». Aber er spürte den Druck der Polizei und der Öffentlichkeit, der nicht zu Unrecht aufgebaut werde.

Dieser Druck ist unverändert da, verstärkt wahrnehmbar, seit die Sicherheitsbehörden gerne ganze Kurven sperren, auch für Vorfälle weit abseits des Stadions wie in diesem Januar, als FCZ-Hooligans beim Bahnhof Altstetten auf die Polizei losgingen.

Die Liga sperrt sich gegen die Behörden

Die Clubs wehren sich gegen solche Massnahmen, wie sie sich gegen die Einführung personalisierter Tickets stemmen, die sich die Behörden, nicht zum ersten Mal, wünschen. Die Swiss Football League, der Zusammenschluss der 22 Profivereine, will seit März an der Ausarbeitung des Kaskadenmodells nicht mehr mitmachen. Das ist das Instrument, das eine Verschärfung der Strafen je nach Vergehen vorsieht und das Ziel verfolgt, für gewaltfreie Spiele zu sorgen. Die Liga erachtet das als nicht zielführend und unverhältnismässig.

Diese Sicht ist so falsch wie die Annahme der Behörden, sie könnten für gewaltfreie Fussballspiele sorgen. Zum einen muss sich der Fussball bewusst sein, dass er den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Sicherheits- und Bewilligungsbehörden braucht. Er muss wieder einsehen, dass er gegen das Vorgehen der Behörden chancenlos ist. Die Macht liegt nie bei ihm, sondern immer bei der Politik. Ohne geeintes Vorgehen wird der Scherbenhaufen nur noch grösser.

Ein Stadion als Bühne der Enthemmtheit

Der Dialog, so gut er allen ansteht, bedeutet zum anderen aber nicht, dass damit die Probleme beseitigt wären. Dieser Illusion soll sich keiner hingeben. So sehr es den einen oder anderen langweilen mag, wenn es heisst, die Gewalt im Fussball sei ein gesellschaftliches Problem, so sehr stimmt das. Gewalt hat es immer gegeben, ob in der Familie, auf Dorffesten, am 1. Mai oder im Fussball. Das macht die Vorfälle auf der Schützenwiese nicht besser, der Unterschied ist nur der Ort, an dem es die Gewalt gibt. Im Fussball ist das Fernsehen live dabei.

Rund 10’000 Spiele finden jede Woche statt. «Und was ist, wenn sie wegfallen? Wo gehen die Leute mit ihren Emotionen hin?», schrieb Andreas Mösli, der Begründer der Winterthurer Fankultur, vor fünf Jahren in einem Gastbeitrag in der «SonntagsZeitung». «Die Gesellschaft braucht ein Ventil. Ein Fussballstadion bietet das.» Ein Stadion als Bühne der Enthemmtheit, für Cüpli- wie für Biertrinker. Das ist und bleibt die Realität, mit der wir leben müssen.

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